Kostenübernahme seit Jahren Gegenstand von Prozessen

Grafrath, 1.August 2013 – Augenlasern hat sich weltweit etabliert. Insbesondere die LASIK gilt als ausgereiftes, medizinisch anerkanntes Verfahren zur operativen Korrektur von Fehlsichtigkeit. Millionenfach angewandt zählt diese Methode mit einem Anteil von ca. 90% zum häufigsten Eingriff der operativen Sehfehlerkorrektur – so auch in Deutschland. Viele Versicherer bestreiten jedoch die medizinische Notwendigkeit dieser Operation und verweigern meist die Übernahme der Kosten. Stattdessen wird der Patient auf Sehhilfen wie Brille oder Kontaktlinsen verwiesen.

Das Thema Kostenübernahme beschäftigt daher seit Jahren bundesdeutsche Gerichte. Von besonderem Interesse erscheint in diesem Zusammenhang ein Aufsatz von Dr. Sibylle Kessal-Wulf für die juristische Fachzeitschrift „recht+schaden“ aus dem Jahr 2010[1]. Die heutige Bundesverfassungsrichterin gehörte damals dem IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes an, der für Versicherungs- und Erbrecht zuständig ist. Die Juristin legt dar, wie private Krankenversicherungen (PKV) bei mehreren Verfahren die Notbremse gezogen haben und sich, nachdem der BGH den Prozessparteien einen ersten Hinweis zu seinem rechtlichen Standpunkt erteilt hat, mit den Klägern außergerichtlich einigten. Aus gutem Grund, denn der BGH hätte den Verweis der PKV auf Sehhilfen als rechtlich wohl nicht haltbar eingestuft, d.h. aus Sicht der Versicherer hätte ein weitreichendes Grundsatzurteil gedroht.

Dieser Einschätzung liegt im Wesentlichen folgende Argumentation zugrunde: Eine Krankheit ist ein „objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler regelwidriger Körper- oder Geisteszustand“[2]. Eine Fehlsichtigkeit wie Kurz- oder Weitsichtigkeit ist demnach versicherungsrechtlich eine Krankheit. Und Patienten haben einen Anspruch auf eine Heilungschance. Sehhilfen gleichen eine bestehende Fehlsichtigkeit zwar aus, lindern oder heilen die Krankheit jedoch nicht (entsprechend werden Brillen und Kontaktlinsen im Katalog der Krankenversicherungen auch als Hilfsmittel bezeichnet). Vielmehr übernehmen sie eine Ersatzfunktion für das kranke Organ, ohne dass sich an dessen Zustand etwas ändert, d.h. sie kompensieren lediglich eine Anomalie.

Ähnlich argumentierte auch das Landgericht Frankfurt/Oder bei seiner Entscheidung Anfang Dezember 2012 (LG Frankfurt/Oder, 6 a S 198/11 vom 02. 10. 2012). Demnach ist die LASIK-OP eine medizinisch notwendige Heilbehandlung, da die Brille zwar eine Sehschwäche korrigiert, die Ursache aber nicht beheben kann. Zur Begründung führte das LG u.a. aus: „Der Kläger war vorliegend krank. Krank im Sinne der Definition ist ein anomaler Körper- oder Geisteszustand, welcher eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (vgl. BGH r+s 1987, 80 =VersR 87, 278f.).“ Dieses war bei Dioptrienwerten von +4,5 und +2,5 zweifelsfrei erfüllt. Es handelte sich auch nicht um eine Altersweitsichtigkeit, was hierbei eine weitere Rolle spielte. Weiter heißt es: „Es ist nicht Zweck einer Krankenversicherung, Leistungen für subjektiv wünschenswerte, objektiv zur Krankheitsbehandlung aber nicht erforderliche Maßnahmen zu erbringen. Daher müssen objektive Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden und der Einzelfall beurteilt werden. (…) Der Zweck des Versicherungsvertrages wäre nicht erreicht, wenn nicht alle aus ärztlicher Sicht vertretbaren Behandlungsschritte abgedeckt wären. (…) Eine Behandlungsmethode ist aus diesen Gründen dann als medizinisch notwendig einzustufen, wenn ihre Anwendung nach den festgestellten objektiven medizinischen Befunden und den Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung als medizinisch vertretbar angesehen werden kann.“… 

Ablehnung der Kostenübernahme von PKV immer prüfen

Wie man sieht, ist mit der Ablehnung einer Kostenübernahme durch den privaten Krankenversicherer noch lange nicht das letzte Wort im jeweiligen Fall gesprochen. Häufig stellt sich nämlich bei einer gerichtlichen Klärung des Sachverhaltes heraus, dass die PKV trotz einer ersten Ablehnung durchaus auch hohe Kosten für Behandlungen und Medikamente übernehmen muss. Wer also eine Ablehnung der Übernahme von Behandlungskosten durch seine PKV erhält, ist gut beraten, diese Entscheidung zumindest zu hinterfragen.

 


[1] Dr. Sibylle Kessal Wulf: „Die neuere Rechtssprechung des BGH zum Versicherungsrecht – Unfallversicherung und Krankenversicherung“, recht + schaden, 37: 9/2010, 359f

[2] BGHZ 99, 228, 230; BGHZ 158, 166, 170; BGHZ 164, 122, 125